Gabriele Heidecker

Britta Schmitz

Red Lake Field und Red Lake in the Ashplace

Installationen im
Nehru Park und Sanskriti Garden in New Delhi, Indien, Januar 2001

 

 

"Welches Leben ist in der Erde?" fragt der Weiße.
"Die Lebenskraft der Erde ist das Wasser. Gott hat die Erde mit Wasser geknetet. Genauso macht er das Blut aus Wasser. Selbst im Stein gibt es die Kraft, denn die Feuchtigkeit ist in allem" (Marcel Griaule, Schwarze Genesis, Frankfurt 1980 )

Über lange Jahre verfolgt Gabriele Heidecker mit ihrem groß angelegten Projekt der "Red Lakes" die Spuren von Vergangenheit und Vergänglichkeit, von Leben und Tod. Die Surrogate der langsamen Prozesse bergen etwas still Geheimnisvolles und weisen in archaische Zeiten und Kulturen zurück, in denen die Zeit eine andere Dimension besaß. Die Arbeit, die den Prozeß seiner Entstehung ein- und abschließt, bildet in gewisser Weise einen Gegensatz zum Logos, zur Wissenschaft, sie tragen Spuren von der Basis des Menschseins. Weil Menschsein heute so gefährdet ist, liegt es nahe, daß eine Künstlerin wie Gabriele Heidecker sich darüber Gedanken macht, wie elementar zum Mensch-sein gehörendes darzustellen ist. Mit der Möglichkeit die Arbeit in Indien fortzuführen, bewegt sie sich auf die Quellen zu und zwar ziemlich direkt über die Kunst. Niemals werden in den unterschiedlichen Formen von "Red Lakes" nur Inhalte repetiert, sondern aus der künstlerischen Geste selbst wird Neues geschaffen.

Für ihre Arbeit im Rahmen des German Festival in Indien hat sich Gabriele Heidecker eine größere Fläche im Nehru Park in New Delhi ausgesucht. Das Projekt "Art in Nature" bietet ihr erstmals die Möglichkeit zu einer Installation der "RED LAKES" im Außenraum. Natur als Element der Arbeit wird da-durch explizit einbezogen und bildet einen wichtigen weiteren Schritt in der Konzentrierung und Entwicklung der "Red Lake" Idee. Die Realisierung in Indien, in dem Land in dem Rot eine vorherrschende Farbe ist, das mit seinen Wüstenregionen ex-trem abhängig ist vom lebenspendenden Wasser, bildet einen idealen Beziehungsraum. Innerhalb der wohlproportionierten und gepflegten ruhigen Parklandschaft in der dicht besiedelten Hauptstadt Indiens, ist die Erde, der Park, für eine bestimmte Zeitspanne Bildfläche. Als vorgegebene Becken findet Gabriele Heidecker bei einer Vorbesichtigung, die durch städtische Gärtner jährlich flach rechteckig ausgehobenen Pflanzenbeete. Ideale Plätze für ihre "Lakes". Schwarze Holzwannen werden in der Größe der Bee-te angefertigt und eingelassen, um sie im weiteren Prozeß mit roter Flüssigkeit anzufüllen. Die schwarzen Grundflächen, die subtil an die Eigenschaften der indische Gottheit Kali gemah-nen, verwandeln sich durch das Eingießen in feuerrote Orte. Sie spiegeln den Himmel, sie verändern sich mit dem Lauf der Sonne und des Mondes, sie werden zu einer "ästhetischen Visualisierung eines Naturgesetzes" (Evelyn Weiss) Die rote Masse gibt im sehr langsamen Prozeß der Verdunstung das lebenswichtige Wasser ab und erstarrt nach und nach. Am En-de springen und reißen Craqueleés in die roten Felder und öff-nen die so verschlossene Form. Der hier als "Land-Art" Projekt realisierte Werkzyklus geht mit seiner Künstlichkeit in die Natur ein. Die Arbeiten werden fast ein Stück von ihr und bilden eine neue Gegenwart des Raumes, der durch die Natur definiert wird. Kurze runde Roh-re ragen aus der Ebene wie Luftröhren oder Nervenenden her-vor. Sie sind wie eine künstliche Verbindung mit dem Inneren der Erde, den die Erde wird der Technik geopfert (auch in Indien) da entdeckt die Künstlerin sie als kreativen Boden neu und schafft nicht ein Abbild der Welt sondern setzt Zeichen, deutende Bilder. "Die Lehre des Ortes" eher ein Kennzeichen zeitgenössischer Literatur- wird mit dieser Arbeit auch in der bildenden Kunst wieder faßbar. Denn zur "Lehre des Ortes" gehört ein Wiederaufgreifen tief im Bewußtsein der Menschheit verankerter Prozesse und Formen.

© Britta Schmitz, Berlin, 2001

 

Aus: Katalog "10th Triennale India", New Delhi 2001

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3 RED LAKES 

Installation im Frauen Museum Bonn

Auch die ruhigste Wasserfläche ist bewegt, November 2000

 

 

Das dem Kunstwerk etwas Magisches innewohnt, ist seit der Antike immer wieder lebendiger Topos, der auch in unserer heu-tigen rationalen und technisierten Zeit trotz aller Dementi nicht verschwunden ist. "RED LAKES" sind drei blutrote, ebenerdige Flächen, die eingefangen in drei rahmende Holzwannen raumgreifend und still eine intensive Grundstimmung erzeugen. Kurze schwarze Rohre, in regelmäßigen Abständen, erheben sich aus der schrundigen, gleichsam felsigen, geronnenen Substanz. Drei helle Neonröhren verströmen eine gewisse Immaterialität, die einen luftigen Zug über das schwere, farbgesättigte Feld ent-läßt. Das Geheimnis scheint in der Luft zu liegen. Pulverisierte rote Farbe wurde mit Wasser und Bindemittel zu einer flüssigen, dicken Farbsubstanz verarbeitet. In die Wan-nen gegossen, setzt sofort der Prozeß der Austrocknung ein, dessen Resultat nicht vorhersehbar ist. Die rote Masse gibt im sehr langsamen Prozeß der Verdunstung das lebenswichtige Wasser ab und erstarrt nach und nach. Die Bewegung, die wir nur sehr schwer, auch wenn wir noch so genau hinschauen, beinahe gar nicht wahrnehmen, erinnert an geologische Pro-zesse, bei denen in extrem langen Zeiträumen Gestein und Landschaft verändert werden und das Wasser allmählich Berge und Täler preisgibt. Lebensraum wird gewonnen. Am Ende des künstlerischen Prozesses springen und reißen Craqueleés in die roten Felder und öffnen so die verschlossene Form. Mit imponierender Stimmigkeit konkretisiert sich der unver-kennbar automatische Vorgang und wird zur Reminiszenz an Gesehenes, Erlebtes, zur Andeutung einer Landschaft, eines Horizontes, der Begegnung von Himmel und Erde, einer Erfah-rung, auch schmerzhafter, die aber um das Einbezogensein der Teile in ein umfassendes Ganzes weiß. Der Mensch ist in der Natur, das Individuelle ist aufgehoben in der spannungsreichen Harmonie von Natur und Kosmos. Mit der komplexen und formal höchst reduzierten Installation "RED LAKES" verbindet Gabriele Heidecker verschiedene Elemente ihres oftmals variierten, doch meist mit verwandten, metaphorisch befrachteten Materialien arbeitenden Oeuvres. Tod und Leben, Alter und Jugend, Verletzung und Heilung mögen für Interpretationen auf der Hand liegen, einmal einge-treten in den Orbit von "RED LAKES" sind diese Grenzen durch die subtile Intensität viel zu ungenau. Die von der Mate-rialität des Faßbaren wegführende Bedeutung, eröffnet über die verschiedenen Kulturbereiche hinaus eine Ahnung von Welterfahrung.

© Britta Schmitz, Berlin, 2000


Aus: Katalog Gabriele Münter Preis Ausstellung,
Frauen Museum Bonn 2000