Gabriele Heidecker

Peter-Klaus Schuster

 

 

Meine Wahrnehmung der Arbeiten von Gabriele Heidecker begann 1993 mit den Rauminstallationen „Red Sea" und „Blaubart - 7 Räume 1993" in der ruinenschönen „Kaserne" in Kreuzberg. Die folgenden Projekte, das Jerusalem-Projekt 1996 und das „Projekt AUS" für den Marstall in München, ergeben das Bild einer Arbeit, die sich zunehmend erweiterter künstlerischer Mittel bedient und Materialität, Licht, Klang und Farbe in immer komplexerem Zusammenhang in „Einklang" bringt. Wie ein Zirkelschlag erscheint dann die im Rahmen des Festivals of Germany in India entstandenen Installation in New Delhi 2001, dem „Red Lake Field".

Es ist das Anliegen der Staatlichen Museen zu Berlin, auch im Bereich der außereuropäischen Sammlung klassische Kunst im Dialog mit den Werken zeitgenössischer Künstler zu zeigen und das Erkennen der Vielschichtigkeit der Beziehungen zwischen ihnen zu ermöglichen.
Das Rot-Schwarze Werk von Gabriele Heidecker ist besonders geeignet, für eine geraume Zeit in die Sammlung Indischer klassischer Kunst integriert zu werden, da Heidecker in dieser Arbeit bereits einen Dialog mit dieser führt. Die Ausstellung „Lal - Red, in honour of Kali" wird durch die Nähe und Ferne zu Indiens religiös geprägter klassischer Kunst unterschiedliche Fragen stellen: zu künstlerischen Ausdrucksformen und zu Weltbildern, zu Vorstellungen von Zeit, Leben, Tod und menschlicher Existenz.

Bemerkenswert ist die Vielfalt und Komplexität bei gleichzeitiger Schlichtheit der aufgewandten bildnerischen Mittel von „Lal - Red, in Honour of Kali", die in ihrem gattungsübergreifenden Appell den Betrachter zum Beteiligten einer bedeutsamen Raumsituation werden lässt.

Das Ziel des Weges ist zugleich der Anfang: In der Sonderausstellung ist eine Black Box installiert, als eine Art Spiegelung der buddhistischen Kulthöhle, des Kernstücks der Turfan-Sammlung. Diese Black Box vereint einen reihum gehängten Zyklus von Fotoarbeiten „Red Fragments". Dieser Zyklus dokumentiert die Metamorphose der roten Flüssigkeit in den Becken des „Red Lake Field" in New Dehli, mit der Installation eines neuen „Red Lake", der Assoziationen an das Zentrum hinduistischer shivaitischer Tempel zulässt.

Die Transparenz und das Charakteristikum unserer Sammlung indischer Kunst werden durch die Intervention von Gabriele Heidecker trefflich verstärkt. Ebenso bewirken die subtilen Bedeutungen der Objekte im Dialog mit den indischen Bildwerken wechselseitige Projektionen und unerwartete Deutungsmöglichkeiten.

Schon lange befasst Gabriele Heidecker sich mit einer immer differenzierteren Zusammenschau von Außen- und Innenwelt und setzt sich mit der Vielschichtigkeit und Komplexität von Zusammenhängen auseinander.

Der Besucher der in die ständige Sammlung der Indischen Kunst integrierten Ausstellung „Lal - Red, in Honour of Kali" sieht sich umgeben von bildnerischen Evokationen, die ihn zum Nachdenken hinführen: über die Schönheit und die Zerstörung, über das Leben und den Zugriff des Todes auf das einzelne Individuum.

Der Ausstellungsraum wird sowohl zu einem Meditationsort als auch zu einem Ort der Verunsicherung und der Suche nach dem Selbst und dem Sinn der eigenen Existenz. Diesen der Indischen klassischen Kunst gewidmeten Ort mit der aktuellen Kunst Gabriele Heideckers, also mit Eingriffen in ganz andere künstliche Realitäten zu bespielen, bedeutet, ihn auf neue Weise zu einem Ort anschaulicher Selbsterkenntnis für den gegenwärtigen Betrachter zu machen. Wahrnehmbar wird so im ebenso anmutigen wie kontrastreichen Dialog ganz unterschiedlicher Kunstsprachen über die Jahrhunderte hinweg die bewusstseinsverändernde Kraft von Kunst.

Peter-Klaus Schuster, Mai 2005


© Peter-Klaus Schuster

 

Vorwort zum Katalog der Ausstellung: Gabriele Heidecker LAL-RED In Honour of Kali 2005, Museum für Asiatische Kunst, Abteilung Süd-, Süd-Ost- und Zentral-Asien, Berlin-Dahlem SMB (www.LAL-RED.com)